Banken und Familienunternehmen. 17. Sitzung des Arbeitskreises Familienunternehmen und 18. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte

Banken und Familienunternehmen. 17. Sitzung des Arbeitskreises Familienunternehmen und 18. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte

Organisatoren
Arbeitskreise Familienunternehmen und Bank- und Versicherungsgeschichte, Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Ort
hybrid (Frankfurt am Main)
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.11.2021 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Jan Fehling, GUG mbH, Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.v

In einer gemeinsamen Sitzung der Arbeitskreise Familienunternehmen und Bank- und Versicherungsgeschichte der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. wurde die Thematik „Banken und Familienunternehmen“ erörtert. Gastgeber der Sitzung war die ODDO BHF AG in ihren Häuslichkeiten in Frankfurt am Main.

Begrüßt wurden die Anwesenden durch JULIA SABINE FALKE-IBACH (Düsseldorf), die Vorsitzende des Arbeitskreises Familienunternehmen, und DIETER ZIEGLER (Bochum), den Vorsitzenden des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte. Danach begrüßte der Generalbevollmächtigte der ODDO BHF AG, PETER M. HAID (Frankfurt am Main), die Teilnehmer und gab einen kompakten Überblick über die zweigeteilte deutsch-französische Geschichte der ODDO BHF AG.

Der erste Vortrag von FRIEDERIKE SATTLER (Frankfurt am Main) beschäftigte sich mit den beraterischen Tätigkeiten, welche die Kunststoffwerke Phillipine in ihrer Unternehmenskrise in den 1980er-Jahren von der Deutschen Bank in Anspruch nahmen und deren Auswirkungen für das Unternehmen. In diesem Rahmen beschrieb Sattler die zweigeteilte Führungsebene der Kunststoffwerke, auf welcher sich zum einen Geschäftsführer Klaus Eckhardt und zum anderen der Beirat des Unternehmens mit konträren Visionen zur Beilegung der Unternehmenskrise, die Sattler auf multivariate Faktoren zurückzuführte, begegnet seien. Außerdem stellte sie die verschiedenen Ausprägungen der beraterischen Tätigkeit der Deutschen Bank dar, welche sich von einem eigenen Vertreter im Beirat bis zur Hinzuziehung externer Beratung erstreckt habe. Den Weg aus der Krise habe schlussendlich Klaus Eckhardt bestimmt, jedoch nicht ohne Einflussnahme seitens der Deutschen Bank, die Roland Berger als zusätzlichen Berater heranzog. In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion wurden verschiedene Meinungen zum Einfluss von Führungspersönlichkeiten in Familienunternehmen geäußert und auf die zunehmende Relevanz von Mittelstandsförderung im Aufgabenbereich von Banken hingewiesen.

JOCHEN STREB (Mannheim) behandelte in seinem Vortrag verschiedene Formen der Finanzierung von Familienunternehmen am Beispiel des schwäbischen Werkzeugmaschinenbauers Trumpf. Grundsätzlich neigten Familienunternehmen zu traditionellen Finanzierungsmöglichkeiten und würden hierbei insbesondere die interne Finanzierung durch Gewinne und teilweise die Finanzierung durch Fremdkapital gegenüber Möglichkeiten der externen Eigenkapitalgewinnung präferieren. Auch bei Trumpf sei an dieser Präferenz festgehalten worden, mit Ausnahme eines Zeitraums Anfang der 1990er-Jahre, in dem Industrieobligationen herausgegeben wurden. Die Einführung dieser Finanzierungsmethode fiel jedoch mit einer Krise im Maschinenbau zusammen und führte in dieser Kombination zu einer drastischen Senkung des Eigenkapitals des Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt habe eine externe Übernahme Trumpfs gedroht. Die Unternehmensleitung in Person von Berthold Leibinger konnte diese Übernahme jedoch durch einen Privatkredit und die Unterstützung der BWK Unternehmensbeteiligung verhindern, so dass sich Trumpf zeitgenössisch weiterhin im Besitz der Familie Leibinger befindet und zur internen Finanzierung durch Gewinne zurückgekehrt ist, ein Umstand, welchen Streb als „finanzielle Persistenz“ bezeichnete. In der anschließenden Diskussion wurden vor allem die Industrieobligationen Trumpfs behandelt, deren Herausgabe nicht auf finanziellen Gründen, sondern auf der erhofften PR-Wirkung, Trumpf als Weltunternehmen darstellen zu können, beruht habe.

Die Differenzen und Konvergenzen des US-amerikanischen und deutschen Finanzsystems von 1890 bis 1980 und deren Wechselwirkung mit der Corporate Governance von Familienunternehmen standen im Mittelpunkt des nächsten Vortags. INGO KÖHLER (Darmstadt) beschrieb, dass sich das Finanzsystem der USA vor allem durch niedrige Auflagen für die Gründung von AGs, eine hohe Transparenz der Unternehmensergebnisse und eine Einhaltung des Prinzips der „Shareholder Democracy“ ausgezeichnet habe. Außerdem hätten Steuern auf Unternehmensprofite während des Ersten Weltkriegs Diversifizierungen der Investitionsportfolios und Streuinvestitionen begünstigt. In Deutschland seien solche Anreize zur Investitionsdiversifizierung kaum und das Prinzip der „Shareholder Democracy“ wenig verbreitet gewesen. Der Kapitalmarkt sei von den meisten deutschen Unternehmen erst in den frühen 1980er-Jahren entdeckt worden. Außerdem sei die emotionale Bindung einer Familie zu ihrem Unternehmen in Deutschland stärker ausgeprägt als in den USA, wo das Prinzip des Individualismus einen höheren Stellenwert einnehme. Viele Divergenzen zwischen US-amerikanischen und deutschen Familienunternehmen könnten zudem auf unterschiedliche Finanzierungsverhalten zurückgeführt werden, da sich in Deutschland die „pecking order“ bei Finanzierungsmöglichkeiten anders ausgestalte als in den USA. In der anschließenden Diskussion wurde sowohl auf den Einfluss der unterschiedlichen Größen der Kapitalmärkte der beiden Länder hingewiesen als auch auf das differenzierende Umfeld für Banken in den beiden Finanzsystemen.

Der abschließende Vortrag wurde von STEPHANIE TILLY (Köln) gehalten, welche digital zugeschaltet wurde. Sie berichtete über die 225jährige Geschichte des Bankhaus Seeligers aus Wolfenbüttel und fokussierte hierbei auf die Strukturprobleme des Bankhauses bei seiner Expansion nach 1945. Das Bankhaus Seeliger habe sich bis ins 20. Jahrhundert zu einem „in der Region verwurzelten Provinzialbankhaus“ entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Probleme aus den wechselnden Strukturverhältnissen entstanden, deren zentraler Auslöser das Ausscheiden der Familie Seeliger aus der Geschäftsführung gewesen sei. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Vereins- und Westbank Hamburg zum Hauptanteilseigner des Bankhauses; dieses Verhältnis stellte das Bankhaus 2003 vor existenzielle Probleme, als sich die Übernahme der Vereins- und Westbank durch die Bayerische Hypo- und Vereinsbank abzeichnete, in deren Rahmen das Bankhaus vor einer ungewissen Zukunft gestanden hätte. Ermutigt durch die BaFin habe die Geschäftsführung des Bankhauses daraufhin die Anteile der Vereins- und Westbank zurückgekauft und damit seinen Fortbestand bis in die Gegenwart gesichert. In der folgenden Diskussion wurde vor allem auf die Sonderrolle des Bankhauses Seeliger hinsichtlich dessen hingewiesen, dass die meisten Privatbankhäuser in Deutschland schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts vor allem durch die Expansion der Sparkassen verdrängt wurden, während das Bankhaus Seeliger, gestützt auf die Loyalität seiner Kundschaft und die Kooperation mit größeren Banken, sein Bestehen fortsetzen konnte.

Die gemeinsame Sitzung der Arbeitskreise Familienunternehmen und Bank- und Versicherungsgeschichte konnte auf viele Korrelationen und Überschneidungen in den beiden Fachbereichen hinweisen. Die Vorträge konnten aufzeigen, dass sowohl mittelständische als auch weltmarktführende Familienunternehmen die Unterstützung von Banken in vielfältiger Hinsicht in Anspruch nehmen, während Banken ihrerseits ihr Angebotsportfolio im Consulting-Bereich auch durch die steigende Nachfrage nach Beratung und Unterstützung seitens Familienunternehmen diversifizieren. Des Weiteren konnten die einzelnen Fallbeispiele auf die vielfältigen Synergieeffekte hinweisen, welche aus der vertrauensvollen Kooperation von Unternehmen und ihren Hausbanken entstehen; im Falle des Bankhauses Seeligers wurde jedoch auch die Kehrseite einer großen unternehmensseitigen Abhängigkeit von einer Bank aufgezeigt. Die gemeinsame Sitzung der Arbeitskreise reüssierte bei allen Diskussionsteilnehmern und bestätigte die Sinnhaftigkeit fachbereichsübergreifender Kooperation.

Konferenzübersicht:

Julia Sabine Falke-Ibach (Düsseldorf), Dieter Ziegler (Bochum), Peter M. Haid (Frankfurt am Main): „Begrüßung“.

Friederike Sattler (Frankfurt am Main): „Beratung für mittelständische Familienunternehmen: Die Kunststoffwerke Phillipine und die Deutsche Bank in den 1980er-Jahren“.

Jochen Streb (Mannheim): „Familienunternehmen zwischen Innen- und Außenfinanzierung: Das Fallbeispiel Trumpf“.

Ingo Köhler (Darmstadt): „Differenzen und Konvergenzen. Finanzsysteme und die Governance von Familienunternehmen in Deutschland und den USA“.

Sibylle Lehmann-Hasemeyer (Hohenheim): „Sparkassen als Gründungsmotor? Die Rolle der Sparkassen für die Gründung kleiner und mittelständiger Unternehmen im späten 19. Jahrhundert“. (entfallen)

Stephanie Tilly (Köln): „Das Bankhaus Seeliger 1794-2019. Unternehmensstrukturen im Wandel“.

Harald Wixforth (Bremen): „Mittelstandsfinanzierung in der Krise? – die Probleme des Bremer Bankhauses Martens und Weyhausen in den 1970er Jahren und die Folgen für den Finanzplatz Bremen“. (entfallen)


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